| Die Tanzschule kx Kochtokrax als Träger der Kinder- und Jugendhilfe

Sozialisation – also die Balance des Spannungsverhältnisses zwischen Individuation und Integration zu schaffen – ist eine wesentliche Entwicklungsaufgabe in der Jugend-Zeit. Um die Aufgabe erfolgreich zu lösen sind nicht nur individuelle Fähigkeiten sondern auch Bezugsgruppen und Instanzen nötig. Solch eine Instanz ist die Tanzschule kx Kochtokrax.


Unter vorgegebenen Strukturen haben die Jugendlichen dort die Möglichkeit sich frei zu entfalten. Wie keine andere Instanz gibt eine Tanzschule die Chance in einem sozialen Gruppengefüge eine Ich-Identität zu entwickeln – denn Tanzen macht stolz. Speziell Hip Hop-Kurse sowie Dance4Fans-Klassen sind hier zu nennen – wobei die Dance4Fans-Tanzkurse nochmal explizit die Identifizierung der Jugendlichen mit entwicklungsformenden Idolen thematisieren. Genauso tanzen wie der so bewunderte Star! Aufgeführt wird das einmal jährlich bei „Showtime“. Für den Gold-Star-Ball müssen auch die Standard-Tänzer*innen ran. Um das Gesellschaftzertifikat zu erlangen, müssen die Schüler*innen eine Aufführung einstudieren. Diese Formation ist von der Gruppe selbst entwickelt und gibt somit Freiraum für Kreativität. Stefanie Hoffmann, Tanzlehrerin im kx Kochtokrax seit 20 Jahren erklärt:

 

 

„Der Auftritt erfordert für die meisten Jugendlichen Mut. Der Stolz danach ist groß. Viele junge Menschen sind nach einer gewissen Zeit bei uns gar nicht wieder zu erkennen. Speziell die Jungs sind oft viel offener, kommunikativer und selbstbewusster als vorher. Das ganze Auftreten ändert sich. Die Jugendlichen richten sich auf - sowohl mental als auch körperlich.“ (Stefanie Hoffmann)

 

 

Trotzdem herrscht in der Tanzschule kein Leistungsdruck, denn jeder junge Mensch wird geschätzt und gefördert. Es wird keine Qualitätsauswahl getroffen, wer auftreten darf. Die Gruppe macht die einzelne Person stark.

 

Zusätzlich zu den offensichtlich positiven Einflüssen aus der Tanzschule ist es auch besonders wichtig zu erkennen, was die Instanz dadurch verhindert. Schaffen es Jugendliche nicht, die Entwicklungsaufgaben genügend zu lösen, gibt es Schwierigkeiten, die zum Bespiel zu Sucht- oder Gewaltproblemen führen können. Bezugnehmend auf die theoretische Sicht kann also festgehalten werden, dass die Tanzschule nicht nur eine wichtige Instanz bildet, sondern auch durch die Gruppengefüge und die gleichzeitige Möglichkeit der individuellen Selbstdarstellung eine wesentlicher Rückzugsort für Jugendliche in der Entwicklungsphase darstellt. 

 

Als Jugendfreizeittreff und Jugendbildungseinrichtung werden die Kinder und Jugendlichen in dem Tanzzentrum sowohl individuell als auch sozial gefördert und ebenso auf das zukünftige Leben vorbereitet. Das tanzschul-interne Gefüge kann wie eine „Mini-Gesellschaft“ gesehen werden, in der die jungen Menschen die Integration und Individuation lernen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Tanzschule sogar offiziell als Jugendbildungseinrichtung angesehen ist. Dies wurde bereits im Jahre 2012 mit einem Dokument der Bezirksregierung Arnsberg bescheinigt . Seit Jahren gibt es bereits Kooperationen mit der öffentlichen Jugendhilfe Unna, denn auch diese haben bereits den Standpunkt der Institution in der Jugend verstanden. Die jungen Erwachsenen haben in der Tanzschule nicht nur örtlich einen Rückzugsort. Sie werden an einem anderen Ort als Schule allgemein, sozial, gesundheitlich und kulturell gebildet. Und das in einem spaßigen, sportlichen Rahmen – denn Freizeit heißt Erholung. Es entstehen Gruppengefüge, in denen nicht nur der Sozial-Charakter sondern auch die Eingliederung bei gleichzeitiger Ausbildung der Individualität gefördert wird. Gleichzeitig entstehen Freundschaften und Vertrauensverhältnisse zu den Lehrern*innen, die den Jugendlichen gerne beratend zur Seite stehen – quasi Mentoren*innen. All das in einem freiwilligen, entspannten, ungezwungenem Rahmen. Wöchentliche Termine bedürfen Disziplin und Verantwortungsbewusstsein. Wie kein anderer Ort, bietet die Tanzschule eine Gelegenheit für Jungen und Mädchen sich zu treffen und Hobbies zu teilen. Eine Annäherung, die das Miteinander der Geschlechter in der Entwicklungsphase der Pubertät möglich macht – und das auf kontrolliertem, ordentlichem Grund. Das Gesellschaftszertifikat formt den Umgang im Leben durch Tanz und dem ergänzenden Seminar. Es wird respektvoller Umgang miteinander auf Basis einer Freiwilligkeit auf beiden Seiten geschaffen. Ein Zitat des Tanzlehrers Pierre Dulaine aus dem Film „Dance! Jeder Traum beginnt mit dem ersten Schritt“ bringt es auf den Punkt:

 

 “Wenn sie mir erlaubt sie zu führen, dann vertraut sie mir – sogar mehr: sie vertraut sich selbst. Wenn Ihre 16-jährige Tochter stark ist und sich selbst vertraut, wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich von einem Idioten schwängern lässt? Und wenn Ihr Sohn lernt, wie er ein Mädchen mit Respekt anfasst, wie wird er Frauen in seinem Leben behandeln?“ (Dulaine 2006; Übersetzung durch den Autor)